Über Projekt AnnoPy
AnnoPy ist ein digitales, kollaboratives Tool zur Förderung literaler Kompetenzen, das plattformunabhängig arbeitet, aber auch in bestehende Lernumgebungen eingebettet werden kann. In seinem aktuellen Entwicklungsstand setzt AnnoPy schwerpunktmäßig vier Funktionalitäten um: Zunächst können vorgegebene Texte (einzeln und gruppenweise) annotiert werden. Die Annotationen können im Arbeitsprozess kommentiert und übereinandergelegt werden. Diese Overlayauszüge können schließlich extrahiert und zu Auswertungszwecken visualisiert werden. Genutzt werden können dafür nicht nur Texte im klassischen Sinne, sondern beispielsweise auch Algorithmen, Bilder und Formeln. Einen ersten Schritt auf dem Weg vom Lesen zum Schreiben markiert zudem der integrierte Texteditor, der stetig weiterentwickelt wird.
AnnoPy kann sowohl in schulischen als auch in universitären Lehrkontexten in vielfältiger Weise eingesetzt werden. Aktuell findet eine erste Erprobung in mathematik-, informatik- und sprachdidaktischen Seminaren der Universität Paderborn statt.
Hierbei nutzen Lehramtsstudierende das Tool aus zwei unterschiedlichen Perspektiven heraus: Zum einen dient das Tool zur Förderung literaler Kompetenzen, beispielsweise im Hinblick auf das Verfassen erklärender Texte. Hierbei nutzen die Studierenden das Tool als Lernende.
Zum anderen haben die involvierten Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer die Möglichkeit, aus Lehrendenperspektive Anwendungskonzepte für den schulischen Einsatz des Tools zu entwickeln. Die Bereiche, in denen AnnoPy im Unterricht eingesetzt werden kann, sind dabei vielfältig. So können die Annotationsfunktionen auf der einen Seite genutzt werden, um textvergleichend zu lesen und sprachliche Muster in Texten zu identifizieren. Auf der anderen Seite können Texte aber auch auf inhaltlicher Ebene analysiert werden, etwa in Hinblick auf semantische, grammatische, lexikalische oder textliterarische Fragestellungen. Dabei können Lehrkräfte sowohl eigene Texte und Annotationsvorgaben einrichten als auch mit vorbereiteten Vorlagen arbeiten.
Die inhaltliche und didaktische Konzeption des Tools AnnoPy liegt in der Hand kooperierender Arbeitsgruppen aus den Bereichen Mathematikdidaktik (Prof. Dr. Sebastian Rezat), Informatikdidaktik (Prof. Dr. Carsten Schulte) und Sprachdidaktik (Prof. Dr. Sara Rezat) an der Universität Paderborn.
Die Programmierung des Tools erfolgt durch Marcus Baurichter, Moritz Stern und Darius Rico Masom Zadeh, Lehramts- und Informatikstudierende der Universität Paderborn.
Direkten Kontakt zu den Entwicklern gibt es unter .Dort können auch Fragen, Wünsche, Anregungen oder Ideen zur Mitarbeit eingereicht werden.
Immer stärker verankern sich in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen neue Praktiken des Lesens und Schreibens, sogenannte new literacies (Coiro et al. 2008; Dürscheid et al. 2010). In der Schule werden im Kontrast dazu Informatik-Systeme zum Erwerb literaler Kompetenzen - wenn überhaupt (vgl. Radvan 2013, Kepser 2018) – meist nur als ‚digitale Schreibmaschinen‘ gebraucht. Die Chancen im Bereich sozial-vernetzter, interaktiver, multimodaler und automatisierter Praktiken des Schreibens und Lesens werden kaum genutzt. Dieser Dissonanz widmet sich eine Kooperation zwischen Sprach-, Mathematik- und Informatikdidaktik der Universität Paderborn. Die Idee der disziplinübergreifenden Arbeitsgruppe: traditionelle, schulisch-etablierte, literale Textpraktiken und die durch den digitalen Wandel evozierten new literaces sollen für den Erwerb fächerübergreifender literaler Kompetenzen sinnvoll integriert werden.
Konkretes Produkt der Arbeit an dieser Zielsetzung ist das Tool Annopy, in dem erste derartige Praktiken modelliert und programmiert wurden. Hiervon ausgehend läuft die Projektarbeit nun zweigleisig weiter: Zum einen werden die bereits implementierten Praktiken erprobt, zum anderen werden weitere didaktisierte und fächerübergreifend nutzbare Textpraktiken für die Umsetzung in AnnoPy modelliert.
Das Ziel, literale Kompetenzen zu fördern, wird in AnnoPy durch die Integration verschiedener (fach-)didaktischer Ansätze erreicht. Dabei ist anzumerken, dass über die im Fokus stehenden literalen gleichsam auch fachspezifische inhaltliche Kompetenzen mit dem Tool gefördert werden können.
Ausgehend von einer engen Verzahnung zwischen Lesen und Schreiben ist im Hinblick auf die didaktische Konzeption zunächst der Ansatz reading to write zu nennen, nach dem durch die vergleichende Betrachtung von Texten ein Sprachgefühl für Textqualität entsteht. Das Lesen stützt in diesem Sinne das Schreiben (vgl. Feilke/Rezat 2020). Auch in der Genre-Didaktik findet sich die Verbindung von Lesen und Schreiben als Grundlage für erfolgreiches Texten. Zur Vermittlung fachspezifischer Genres wird dabei in mehreren Zyklen gearbeitet, die sich in der Arbeit mit AnnoPy abbilden lassen. Der derzeitige Entwicklungsstand des Tools eignet sich insbesondere zur Umsetzung der Textmodellierung durch Modelltexte (modelling and deconstruction, vgl. Gürsoy 2018), da beispielsweise sprachliche Strukturen in Texten zum Zwecke der Vergegenwärtigung sprachlicher Handlungen verschiedenfarbig markiert werden können. Aus der sprachdidaktischen Perspektive ist zudem der Ansatz der Textprozeduren zu nennen, der darauf aufbaut, die in Texten vollzogenen Handlungen und ihre sprachlichen Realisierungen zu identifizieren und auf diese Weise sowohl das Textverständnis als auch die Textproduktion zu fördern.
Mit seiner fächerübergreifenden Nutzbarkeit knüpft AnnoPy darüber hinaus an den engen Zusammenhang von fachlichem und sprachlichem Lernen an, den Untersuchungen aus diversen MINT-Fachdidaktiken belegen (vgl. u.a. Kulgemeyer/Schecker 2013; Prediger 2019; Erath et al. 2018; Götze 2019). Sie zeigen, dass fachliches Lernen von Lernkontexten profitiert, in denen mit Texten rezeptiv und produktiv umgegangen wird und in denen der Fokus auf die texttypischen sprachlichen Mittel gelegt wird (vgl. Rezat/Rezat 2017).
Die beschriebenen didaktischen Ansätze werden in AnnoPy insofern neuartig umgesetzt, als sie mit den Potenzialen des Digitalen (vgl. Herzig 2008, Becker-Mrotzek/Woerfel/Hachmeister 2020) kombiniert werden. Beispielhaft zu nennen sind etwa Multimodalität, Interaktivität und Automatisierung bei der Annotation und Auswertung von Texten durch Kommentar- und Overlayfunktionen. Darüber hinaus wird ein Lernen ermöglicht, das gleichsam dezentral und sozial-vernetzt ablaufen und so in verschiedenen Unterrichtsszenarien Anwendung finden kann.
- Das Forschungsprojekt zielt auf die Entwicklung und Evaluierung fächerübergreifend nutzbarer, digital gestützter „Formate“ für Praktiken des Umgangs mit und der Produktion von Texten in Lernzusammenhängen ab. Im Blick auf das Lernen in einer solchen digitalen Lernumgebung geht es um Praktiken z.B. des vergleichenden Lesens bzw. der Materialrezeption; der Analyse und analytischen Markierung und Annotation von Materialien/Texten; der Extraktion, diagrammatischen Darstellung und Visualisierung von Verstehens- und Analyseergebnissen